Religionskritik
Texte
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Literatur
Klassiker (Goethe, Schiller, Lessing)
Fragmente eines Ungenannten
Einl. 1. Teil
Einl. 2. Teil
Auferst.
Gegens.
V
Zweck (Vorr.)
I
II,1
II,2
VON DULDUNG DER DEISTEN: Fragment eines Ungenannten
(Lessings Einleitung)
Die hauptsächlichste Betrachtung, auf welche Neusers Geschichte einen
denkenden Leser führet, brauche ich wohl nicht
erst lange anzugeben. Sie ist es aber, die mich an Fragmente eines
sehr merkwürdigen Werks unter den allerneuesten Handschriften
unserer Bibliothek, und besonders an eines derselben so lebhaft
erinnert, daß ich mich nicht enthalten kann, von ihnen
überhaupt ein Wort hier zu sagen, und dieses eine als Probe daraus
mitzuteilen.
Es sind, sage ich, Fragmente eines Werks: aber ich kann nicht
bestimmen, ob eines wirklich einmal vollendet gewesenen und
zerstörten, oder eines niemals zu Stande gekommenen Werks.
Denn sie haben keine allgemeine Aufschrift; ihr Urheber wird
nirgends angegeben; auch habe ich auf keine Weise erfahren
können, wie und wenn sie in unsere Bibliothek gekommen. Ja
sogar, daß es Fragmente eines Werks sind, weiß ich nicht mit
Gewißheit, sondern schließe es nur daher, weil sie alle einen Zweck
haben, alle sich auf die geoffenbarte Religion beziehen, und
vornehmlich die biblische Geschichte prüfen.
Sie sind mit der äußersten Freimütigkeit, zugleich aber mit
dem äußersten Ernste geschrieben. Der Untersucher vergißt seine
Würde nie; Leichtsinn scheint nicht sein Fehler gewesen zu sein;
und nirgends erlaubt er sich Spöttereien und Possen. Er ist ein
wahrer gesetzter Deutscher, in seiner Schreibart und in seinen
Gesinnungen. Er sagt seine Meinung gerade zu, und verschmähet
alle kleinen Hülfsmittel, den Beifall seiner Leser er erschleichen.
Da, nach der Hand und der äußeren Beschaffenheit seiner Papiere
zu urteilen, sie ohngefähr vor dreißig Jahren geschrieben sein
mögen; da aus vielen Stellen eine besondere Kenntnis der
Hebräischen Sprache erhellet; und der Verfasser durchgängig
aus Wolffischen Grundsätzen philosophieret: so haben mich alle
diese Umstände zusammen an einen Mann erinnert, welcher um
besagte Zeit hier in Wolfenbüttel lebte, und hier, unter dem
Schutze eines einsichtsvollen und gütigen Fürsten, die Duldung
fand, welche ihn die wilde Orthodoxie lieber in ganz Europa
nicht hätte finden lassen; an Schmid, den Wertheimischen Übersetzer
der Bibel.
Doch, ohne mich bei Vermutungen über den Verfasser aufzuhalten,
hier ist die Stelle, in welcher sich meine Leser mit seinem
Geiste näher bekannt machen können. Sie ist aus einer Art
von Einleitung genommen, in welcher er von der Vortrefflichkeit und
Hinlänglichkeit der natürlichen Religion überhaupt handelt.
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