Religionskritik
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Schopenhauer (Inhalt)
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Arthur Schopenhauer
Parerga und Paralipomena II
KAPITEL XV.
UEBER RELIGION.
§. 175.
Glauben und Wissen.
Die Philosophie hat, als eine Wissenschaft, es durchaus nicht damit
zu thun, was GEGLAUBT werden soll, oder darf; sondern bloß
damit, was man WISSEN kann. Sollte nun Dieses auch etwas ganz
Anderes Seyn, als was man zu glauben hat; so wäre selbst für den
Glauben dies kein Nachtheil: denn dafür ist er Glaube, daß er lehrt
was man nicht wissen kann. Könnte man es wissen; so würde der
Glaube als unnütz und lächerlich dastehn; etwan wie wenn hinsichtlich
der Mathematik eine Glaubenslehre aufgestellt würde.
Hiegegen ließe sich nun aber einwenden, daß zwar der Glaube immerhin
mehr, und viel mehr, als die Philosophie lehren könne;
jedoch nichts mit den Ergebnissen dieser Unvereinbares: weil
nämlich das Wissen aus einem härteren Stoff ist, als der Glaube, so daß,
wenn sie gegen einander stoßen, dieser bricht.
Jedenfalls sind Beide von Grund aus verschiedene Dinge, die, zu
ihrem beiderseitigen Wohl, streng geschieden bleiben müssen, so
daß jedes seinen Weg gehe, ohne vom andern auch nur Notiz zu
nehmen.
§. 176.
Offenbarung.
Der ist nur noch ein großes Kind, welcher im Ernst denken kann,
daß jemals Wesen, die keine Menschen waren, unserm Geschlecht
Aufschlüsse über sein und der Welt Daseyn und Zweck gegeben
hätten. Es giebt keine andere Offenbarung, als die Gedanken der
Weisen; wenn auch diese, dem Loose alles Menschlichen gemäß,
dem Irrthum unterworfen, auch oft in wunderliche Allegorien
und Mythen eingekleidet sind, wo sie dann Religionen heißen.
Insofern ist es also einerlei, ob Einer im Verlaß auf eigene, oder auf
fremde Gedanken, lebt und stirbt: denn immer sind es nur menschliche
Gedanken, denen er vertraut, und menschliches Bedünken.
Jedoch haben die Menschen, in der Regel, die Schwäche, lieber
Andern, welche übernatürliche Quellen vorgeben, als ihrem eigenen
Kopfe zu trauen. Fassen wir nun aber die so überaus große
intellektuelle Ungleichheit zwischen Mensch und Mensch ins
Auge; so könnten allenfalls wohl die Gedanken des Einen dem
Andern gewissermaaßen als Offenbarungen gelten. -
Hingegen das Grundgeheimniß und die Urlist aller Pfaffen, auf
der ganzen Erde und zu allen Zeiten, mögen sie brahmanische,
oder mohammedanische, buddhaistische, oder christliche seyn, ist
Folgendes. Sie haben die große Stärke und Unvertilgbarkeit des
metaphysischen Bedürfnisses des Menschen richtig erkannt und
wohl gefaßt: nun geben sie vor, die Befriedigung desselben zu
besitzen, indem das Wort des großen Räthsels ihnen, auf außerordentlichem
Wege, direkt zugekommen wäre. Dies nun den
Menschen Ein Mal eingeredet, können sie solche leiten und beherrschen,
nach Herzenslust. Von den Regenten gehn daher die klügeren
eine Allianz mit ihnen ein: die andern werden selbst von ihnen beherrscht.
§. 177.
Ueber das Christenthum.
Um über dasselbe gerecht zu urtheilen, muß man auch betrachten
was vor ihm dawar und von ihm verdrängt wurde. Zuvörderst das
Griechisch-Römische Heidenthum: als Volks-Metaphysik genommen,
eine höchst unbedeutende Erscheinung, ohne eigentliche,
bestimmte Dogmatik, ohne entschieden ausgesprochene Ethik, ja,
ohne wahre moralische Tendenz und ohne heilige Urkunden; so
daß es kaum den Namen einer Religion verdient, vielmehr nur ein
Spiel der Phantasie und ein Machwerk der Dichter aus Volksmährchen
ist, zum besten Teil eine augenfällige Personifikation der
Naturmächte. Man kann sich kaum denken, daß es mit dieser kindischen
Religion jemals Männern Ernst gewesen sei: dennoch zeugen
hievon manche Stellen der Alten, vorzüglich das erste Buch
des Valerius Maximus. In spätern Zeiten und bei fortgeschrittener
Philosophie war dieser Ernst freilich verschwunden; wodurch es
dem Christenthum möglich wurde, jene Staats-Religion, trotz
ihrer äußern Stützen, zu verdrängen. Daß jedoch dieselbe, sogar in
der besten Griechischen Zeit, keineswegs mit dem Ernst genommen
worden sei, wie in der neuern die Christliche, oder in Asien
die Buddhaistische, Brahmanische, oder auch die Mohammedanische,
daß mithin der Polytheismus der Alten etwas ganz Anderes
gewesen sei, als der bloße Plural des Monotheismus, bezeugen
genugsam die Frösche des Aristophanes, in denen Dionysos als
der erbärmlichste Geck und Hasenfuß, der sich nur denken läßt,
auftritt und dem Spotte Preis gegeben wird: und Das wurde an
seinem eigenen Feste, den Dionysien, öffentlich dargestellt. - Das
Zweite, was das Christenthum zu verdrängen hatte, war das
Judenthum, dessen plumpes Dogma durch das christliche sublimirt
und stillschweigend allegorisirt wurde. Ueberhaupt ist das
Christenthum durchaus allegorischer Natur: denn was man in profanen
Dingen Allegorie nennt heißt bei Religionen Mysterium.
Man muß zugeben, daß das Christenthum, nicht nur in der
MORAL, wo die Lehren von der Caritas, Versöhnlichkeit, Feindesliebe,
Resignation und Verleugnung des eignen Willens ihm, -
versteht sich, im Occident, - ausschließich eigen sind, sondern
selbst in der DOGMATIK, jenen beiden frühern Religionen weit
überlegen ist. Was aber läßt dem großen Haufen, welcher die
Wahrheit unmittelbar zu fassen denn doch unfähig ist, sich Besseres
geben, als eine schöne Allegorie, die als Leitfaden für das
praktische Leben und als Anker des Trostes und der Hoffnung vollkommen
ausreicht. Einer solchen aber ist eine kleine Beimischung
von Absurdität ein nothwendiges Ingrediens, indem es zur Andeutung
ihrer allegorischen Natur dient. Versteht man die Christliche
Dogmatik sensu proprio; so behält Voltaire Recht. Hingegen allegorisch
genommen, ist sie ein heiliger Mythos, ein Vehikel, mittelst
dessen dem Volke Wahrheiten beigebracht werden, die ihm sonst
durchaus unerreichbar wären. Man könnte dieselbe den Arabesken
von Raphael, wie auch denen von Runge, vergleichen, welche das
handgreiflich Widernatürliche und Unmögliche darstellen, aus
denen aber dennoch ein tiefer Sinn spricht. Sogar die Behauptung
der Kirche, daß in den Dogmen der Religion die Vernunft völlig
inkompetent, blind und verwerflich sei, besagt im innersten
Grunde Dies, daß diese Dogmen allegorischer Natur und daher
nicht nach dem Maaßstabe, welchen die Vernunft, die Alles sensu
proprio nimmt, allein anlegen kann, zu beurtheilen seien. Die
Absurditäten im Dogma sind eben das Stämpel und Abzeichen des
Allegorischen und Mythischen; obwohl sie, im vorliegenden Falle,
daraus entspringen, daß zwei so heterogene Lehren, wie die des
A.T. und N.T. zu verknüpfen waren. Jene große Allegorie ist erst
allmälig zu Stande gekommen, auf Anlaß äußerer und zufälliger
Umstände, mittelst Auslegung derselben, unter dem stillen Zuge
tief liegender, nicht zum deutlichen Bewußtsein gebrachter Wahrheit,
bis sie vollendet wurde durch AUGUSTINUS, der in ihren Sinn
am tiefsten eindrang und sodann sie als ein systematisches Ganzes
aufzufassen und das Fehlende zu ergänzen vermochte. Demnach
ist erst die Augustinische, auch von Luther bekräftigte Lehre das
vollkommene Christenthum, nicht aber, wie die heutigen Protestanten,
die "Offenbarung" sensu proprio nehmend und daher
auf Ein Individuum beschränkend, meynen, das Urchristenthum;
- wie nicht der Keim, sondern die Frucht das Genießbare ist. -
Jedoch der schlimme Punkt für alle Religionen bleibt immer, daß
sie nicht eingeständlich, sondern nur versteckterweise, allegorisch
seyn dürfen und demnach ihre Lehren, alles Ernstes, als sensu proprio
wahr, vorzutragen haben; was bei den wesentlich erforderten
Absurditäten in denselben einen fortgesetzten Trug herbeiführt
und ein großer Uebelstand ist. Ja, was noch schlimmer ist, mit der
Zeit kommt es an den Tag, daß sie sensu proprio nicht wahr sind:
dann gehn sie zu Grunde. Insofern wäre es besser, die allegorische
Natur gleich einzugestehn. Allein, wie soll man dem Volke beibringen,
daß etwas zugleich wahr und nicht wahr seyn könne? Da
wir nun aber alle Religionen, mehr oder weniger, von solcher
Beschaffenheit finden; so müssen wir anerkennen, daß dem Menschengeschlechte
das Absurde, in gewissem Grade, angemessen,
ja, ein Lebenselement und die Täuschung ihm unentbehrlich ist; -
wie Dies auch andere Erscheinungen bestätigen.
Ein Beispiel und Beleg zu der oben erwähnten, aus der Verbindung
des A. und N.T. entspringenden Quelle des Absurden, liefert
uns, unter Anderm, die Christliche, von Augustinus, diesem Leitsterne
Luther's, ausgebildete Lehre von der Prädestination und
Gnade, der zufolge Einer vor dem Andern die Gnade eben voraus
hat, welche sonach auf ein, bei der Geburt erhaltenes und fertig auf
die Welt gebrachtes Privilegium, und zwar in der allerwichtigsten
Angelegenheit, hinausläuft. Die Anstößigkeit und Absurdität hievon
entspringt aber bloß aus der Alttestamentlichen Voraussetzung,
daß der Mensch das Werk eines fremden Willens und von
diesem aus dem Nichts hervorgerufen sei. Hingegen erhält, - im
Hinblick darauf, daß die ächten moralischen Vorzüge wirklich
angeboren sind, - die Sache schon eine ganz andere und vernünftigere
Bedeutung, unter der Brahmanischen und Buddhaistischen
Voraussetzung der Metempsychosis, nach welcher was Einer, bei
der Geburt, also aus einer andern Welt, und einem früheren Leben
mitbringt und vor den Andern voraushat, nicht ein fremdes Gnadengeschenk,
sondern die Früchte seiner eigenen, in jener andern
Welt vollbrachten Thaten sind. - An jenes Dogma des Augustinus
schließt sich nun aber gar noch dieses, daß aus der verderbten und
daher der ewigen Verdammniß anheimgefallenen Masse des
Menschengeschlechts nur höchst Wenige, und zwar in Folge der
Gnadenwahl und Prädestination, gerecht befunden und demnach
seelig werden, die Uebrigen aber das verdiente Verderben, also
ewige Höllenquaal, trifft.*
- Sensu proprio genommen wird hier das
Dogma empörend. Denn nicht nur läßt es, vermöge seiner ewigen
Höllenstrafen, die Fehltritte, oder sogar den Unglauben, eines oft
kaum zwanzigjährigen Lebens durch endlose Quaalen büßen;
sondern es kommt hinzu, daß diese fast allgemeine Verdammniß
eigentlich Wirkung der Erbsünde und also nothwendige Folge des
ersten Sündenfalls ist. Diesen nun aber hätte jedenfalls Der vorhersehn
müssen, welcher die Menschen erstlich nicht besser, als sie
sind, geschaffen, dann aber ihnen eine Falle gestellt hatte, in die er
wissen mußte, daß sie gehn würden, da Alles miteinander sein
Werk war und ihm nichts verborgen bleibt. Endlich kommt noch
hinzu, daß der Gott, welcher Nachsicht und Vergebung jeder
Schuld, bis zur Feindesliebe, vorschreibt, keine übt. Denn so
betrachtet erscheint in der That das ganze Geschlecht als zur ewigen
Quaal und Verdammniß geradezu bestimmt und ausdrücklich
geschaffen, - bis auf jene wenigen Ausnahmen, welche, durch die
Gnadenwahl, gerettet werden. Diese aber bei Seite gesetzt, kommt
es heraus, als hätte der liebe Gott die Welt geschaffen, damit der
Teufel sie holen solle; wonach er denn viel besser gethan haben
würde, es seyn zu lassen. - So geht es mit den Dogmen, wenn man
sie sensu proprio nimmt: hingegen sensu allegorico verstanden,
ist alles Dieses noch einer genügenden Auslegung fähig. Zunächst
aber ist, wie gesagt, das Absurde, ja, Empörende dieser Lehre bloß
eine Folge des Jüdischen Theismus, mit seiner Schöpfung aus
nichts und der damit zusammenhängenden, wirklich paradoxen
und anstößigen Verleugnung der natürlichen, gewissermaaßen
von selbst einleuchtenden und daher, mit Ausnahme der Juden,
fast vom gesammten Menschengeschlechte, zu allen Zeiten, angenommenen
Lehre von der Metempsychose. Eben um den hieraus
entspringenden kolossalen Uebelstand zu beseitigen und das
Empörende des Dogma's zu mildern hat, im 6.Jahrhundert, Papst
Gregor 1, sehr weislich, die Lehre vom Purgatorio, welche im
Wesentlichen sich schon beim Origines findet, ausgebildet und
dem Kirchenglauben förmlich einverleibt, wodurch die Sache sehr
gemildert und die Metempsychose einigermaaßen ersetzt wird; da
das Eine wie das Andere, einen Läuterungsproceß giebt. In derselben
Absicht ist auch die Lehre von der Wiederbringung aller Dinge
(apokatastasis pantohn) aufgestellt worden, durch welche, im
letzten Akte der Weltkomödie, sogar die Sünder, sammt und sonders,
in integrum restituirt werden. - Bloß die Protestanten, in
ihrem starren Bibelglauben, haben sich die ewigen Höllenstrafen
nicht nehmen lassen. Wohl bekomm's, - könnte sagen wer boshaft
wäre: allein das Tröstliche dabei ist, daß sie eben auch nicht daran
glauben, sondern die Sache einstweilen auf sich beruhen lassen, in
ihrem Herzen denkend: nun, es wird ja wohl so schlimm nicht
werden.
Die an sich richtige Augustinische Auffassung, von der übergroßen
Zahl der Sünder und der äußerst kleinen der die ewige
Seeligkeit Verdienenden, findet sich auch im Brahmanismus und
Buddhaismus wieder, giebt aber daselbst, in Folge der Metempsychose,
keinen Anstoß, indem zwar der erstere die endliche Erlösung
(final emancipation) und der letztere das NIRWANA (Beides das
Aequivalent unsrer ewigen Seeligkeit) auch nur höchst Wenigen
zuerkennt, welche jedoch nicht etwan dazu privilegirt, sondern
mit in früheren Leben aufgehäuften Verdiensten schon auf die Welt
gekommen sind und nun auf dem selben Wege weitergehn. Dabei
werden aber alle Uebrigen nicht in den ewig brennenden Höllenpfuhl
gestürzt, sondern nur in die, ihrem Thun angemessenen Welten
versetzt. Wer demnach die Lehrer dieser Religionen früge, wo
und was denn jetzt alle jene Uebrigen, nicht zur Erlösung Gelangten,
seien, Dem würde die Antwort werden: "siehe um dich, hier
und Dies sind sie: dies ist ihr Tummelplatz, dies ist SANSARA, d.h.
die Welt des Verlangens, der Geburt, des Schmerzes, des Alterns,
der Krankheit und des Todes." - Verstehen wir hingegen das in
Rede stehende Augustinische Dogma, von der so kleinen Zahl der
Auserwählten und der so großen der ewig Verdammten, bloß sensu
allegorico, um es im Sinne unserer Philosophie auszulegen; so
stimmt es zu der Wahrheit, daß allerdings nur Wenige zur Verneinung
des Willens, und dadurch zur Erlösung von dieser Welt gelangen
(wie bei den Buddhaisten zur Nirwana). Was hingegen das
Dogma als ewige Verdammniß hypostasirt, ist eben nur diese
unsere Welt: DER fallen jene Uebrigen anheim. Sie ist schlimm
genug: sie ist Hölle, sie ist Purgatorium.
Aber wahrlich, wenn mich ein Hochasiate früge, was Europa
sei; so müßte ich ihm antworten: es ist der Welttheil, der gänzlich
von dem unerhörten und unglaublichen Wahn besessen ist, daß die
Geburt des Menschen sein absoluter Anfang und er aus dem
Nichts hervorgegangen sei. -
Ein anderer, bei dieser Gelegenheit zu erwähnender, aber nicht
weg zu erklärender Grundfehler des Christenthums ist, daß es
widernatürlicherweise den Menschen losgerissen hat von der
THIERWELT, welcher er doch wesentlich angehört, und ihn nun
ganz allein gelten lassen will, die Thiere geradezu als SACHEN
betrachtend; - während Brahmanismus und Buddhaismus, der
Wahrheit getreu, die augenfällige Verwandtschaft des Menschen,
wie im Allgemeinen mit der ganzen Natur, so zunächst und
zumeist mit der thierischen, entschieden anerkennen und ihn stets,
durch Metempsychose und sonst, in enger Verbindung mit der
Thierwelt darstellen. Jenen Grundfehler zu beschönigen, wirklich
aber ihn vergrößernd, finden wir den so erbärmlichen, wie unverschämten,
bereits in meiner Ethik S.244 gerügten Kunstgriff, alle
die natürlichen Verrichtungen, welche die Thiere mit uns gemein
haben und welche die Identität unserer Natur mit der ihrigen
zunächst bezeugen, wie Essen, Trinken, Schwangerschaft, Geburt,
Tod, Leichnam u.a.m. an ihnen durch ganz andere Worte zu
bezeichnen, als beim Menschen. Dies ist wirklich ein niederträchtiger
Kniff. Der besagte Grundfehler nun aber ist eine Folge der
Schöpfung aus nichts, nach welcher der Schöpfer, Kapitel 1 und 9
der Genesis, sämmtliche Thiere, ganz wie Sachen und ohne alle
Empfehlung zu guter Behandlung, wie sie doch meistens selbst ein
Hundeverkäufer, wenn er sich von seinem Zöglinge trennt, hinzufügt,
dem Menschen übergiebt, damit er über sie HERRSCHE, also
mit ihnen thue was ihm beliebt; worauf er ihn, im zweiten Kapitel,
noch dazu zum ersten Professor der Zoologie bestellt, durch den
Auftrag, ihnen Namen zu geben, die sie fortan führen sollen; welches
eben wieder nur ein Symbol ihrer gänzlichen Abhängigkeit
von ihm, d.h. ihrer Rechtlosigkeit ist. - Heilige Ganga! Mutter
unsers Geschlechts! dergleichen Historien wirken auf mich, wie
Judenpech und foetor Judaicus! Aber leider machen die Folgen davon
sich bis auf den heutigen Tag fühlbar; weil sie auf das Christenthum
übergegangen sind, welchem nachzurühmen, daß seine
Moral die allervollkommenste sei, man eben deshalb ein Mal aufhören
sollte. Sie hat wahrlich eine große und wesentliche Unvollkommenheit
darin, daß sie ihre Vorschriften auf den Menschen
beschränkt und die gesammte Thierwelt rechtlos läßt. Daher nun,
in Beschützung derselben gegen den rohen und gefühllosen, oft
mehr als bestialischen Haufen, die Polizei die Stelle der Religion
vertreten muß und, weil das nicht ausreicht, heut zu Tage Gesellschaften
zum Schutze der Thiere, überall in Europa und Amerika,
sich bilden, welche hingegen im ganzen UNBESCHNITTENEN Asien
die überflüssigste Sache von der Welt seyn würden, als wo die Religion
die Thiere genugsam schützt und sogar sie zum Gegenstand
positiver Wohlthätigkeit macht, deren Früchte wir z.B. im großen
Thierspital zu Surate vor uns haben, in welches zwar auch Christen,
Mohammedaner und Juden ihre kranken Thiere schicken
können, solche aber, nach gelungener Kur, sehr richtig, nicht
wiedererhalten; und ebenfalls wann, bei jedem persönlichen Glücksfall,
jedem günstigen Ausgang, der Brahmanist, oder Buddhaist
nicht etwan ein te Deum plärrt, sondern auf den Markt geht und
Vögel kauft, um vor dem Stadtthore ihre Käfige zu öffnen; wie
man Dies schon in Astrachan, wo Bekenner aller Religionen
zusammentreffen, zu beobachten häufig Gelegenheit hat; und
noch in hundert ähnlichen Dingen. Dagegen sehe man die himmelschreiende
Ruchlosigkeit, mit welcher unser Pöbel gegen die
Thiere verfährt, sie völlig zwecklos und lachend tödtet, oder verstümmelt,
oder martert, und selbst die von ihnen, welche unmittelbar
seine Ernährer sind, seine Pferde, im Alter, auf das Aeußerste
anstrengt, um das letzte Mark aus ihren armen Knochen zu arbeiten,
bis sie unter seinen Streichen erliegen. Das sind die Folgen
jener Installations-Scene im Garten des Paradieses. Denn dem
Pöbel ist nur durch Gewalt, oder durch Religion beizukommen:
hier aber läßt das Christenthum uns schmählich im Stich. Ich habe,
von sicherer Hand, vernommen, daß ein protestantischer Prediger,
von einer Thierschutzgesellschaft aufgefordert, eine Predigt gegen
die Thierquälerei zu halten, erwidert habe, daß er, bei dem besten
Willen, es nicht könne, weil die Religion ihm keinen Anhalt gebe.
Der Mann war ehrlich und hatte Recht. Der Schutz der Thiere fällt
also den ihn bezweckenden Gesellschaften und der Polizei anheim,
die aber Beide gar wenig vermögen gegen jene allgemeine Ruchlosigkeit
des Pöbels, hier, wo es sich um Wesen handelt, die nicht
klagen können, und wo von hundert Grausamkeiten kaum Eine
gesehn wird, zumal da auch die Strafen zu gelinde sind. In England
ist kürzlich Prügelstrafe vorgeschlagen worden, die mir auch ganz
angemessen scheint. Jedoch, was soll man vom Pöbel erwarten,
wenn es Gelehrte und sogar Zoologen giebt, welche, statt die
ihnen so intim bekannte Identität des Wesentlichen in Mensch und
Thier anzuerkennen, vielmehr bigott und bornirt genug sind,
gegen redliche und vernünftige Kollegen, welche den Menschen in
die betreffende Thierklasse einreihen, oder die große Aehnlichkeit
des Schimpansees und Orangutans mit ihm nachweisen, zu polemisiren
und zelotisiren. Aber wirklich empörend ist es, wenn der
so überaus christlich gesinnte und fromme JUNG-STILLING, in seinen
"Scenen aus dem Geisterreich" Bd.2. Sc.1. S.15, folgendes
Gleichniß anbringt: "plötzlich schrumpfte das Gerippe in eine
unbeschreiblich scheußliche, kleine Zwerggestalt zusammen; so
wie eine große Kreuzspinne, wenn man sie in den Brennpunkt
eines Zündglases bringt und nun das eiterähnliche Blut in der
Glut zischt und kocht." Also eine solche Schandthat hat dieser
Mann Gottes verübt, oder als ruhiger Beobachter mit angesehn, -
welches, in diesem Falle, auf Eins hinausläuft; - ja, er hat so wenig
ein Arges daraus, daß er sie uns beiläufig, ganz unbefangen erzählt!
Das sind die Wirkungen des ersten Kapitels der Genesis und überhaupt
der ganzen Jüdischen Naturauffassung. Bei den Hindu und
Buddhaisten hingegen gilt die Mahavakya (das große Wort)
"Tat-twam asi" (Dies bist du), welches allezeit über jedes Thier
auszusprechen ist, um uns die Identität des innern Wesens in ihm und uns
gegenwärtig zu erhalten, zur Richtschnur unser Thuns. - Geht
mir mit euerer allervollkommensten Moral.
* Siehe WIGGER's "Augustinismus und Pelagianismus", S. 335.
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