Jesuitenregierung in Paraguay
Das Inquisitionsgericht
In einer Aktion, welche der Schlacht bei Paraguay, die 1759 am 12. September zwischen der jesuitischen und der vereinigten spanisch-portugiesischen Armee geliefert wurde, vorherging, wurden unter andern indianischen Gefangenen auch zwei Europäer eingebracht, die mit verzweifelter Tapferkeit gefochten hatten. Beide waren von den übrigen Gefangenen ganz unterschieden gekleidet. Sie trugen einen roten Husarenhabit, an welchem von den Achseln zwei kleine Ärmel herabhingen. Ihr Helm war mit roten Federn eingefaßt, und beide trugen eine große Kette von Diamanten um den Hals. Ebenso reich waren ihre Pferde geschmückt. Ihre Waffen waren ein großer Säbel und eine Flinte; als man sie auskleidete, fand man einen sehr guten Brustharnisch auf ihrem Leibe und noch außerdem eine kurze Pistole und zwei Dolche. Die Indianer, welche mit ihnen gefangen waren, fielen, als sie sie ansichtig wurden, ehrerbietig auf die Knie vor ihnen nieder und schlugen sich an die Brust, wobei sie zu wiederholten Malen das Wort "Kau" aussprachen. Einer der Europäer schien diese Huldigung mit Verdruß anzunehmen; die Indianer aber ließen sich darum nicht stören. Kein Wort war aus ihm herauszubringen. Man schlug ihn, man brachte ihn auf die Tortur; einige unfreiwillige Laute in portugiesischer Sprache, die der Schmerz ihm auspreßte, waren alles, was man von ihm erhielt. Der andre zeigte sich offner und freier und gestand bald, daß er ein Jesuit sei. Er habe, sagte er, seine Indianer als ihr Kaplan und geistlicher Assistent in die Schlacht begleitet, um, wie er vorgab, ihre unmäßige Wut in Schranken zu halten und ihnen gelindere Gesinnungen gegen den Feind einzupflanzen. Endlich entdeckte er, er nenne sich Pater Rennez, und der andre, den das Beispiel seines Kameraden gleichfalls gesprächiger machte, gestand nunmehr auch, daß er ein Jesuit und Kaplan der Indianer sei und Pater Lenaumez heiße. Als man ihre Taschen durchsuchte, fand sich ein kleines Buch, bei dessen Entdeckung sie äußerst unruhig wurden. Es war mit unbekannten Chiffern geschrieben, am Rande aber ein Schlüssel dazu in lateinischer Sprache beigefügt. Diese Schrift enthielt ein indianisches Kriegsrecht oder vielmehr die Hauptstücke der Religion, die der Orden seinen indianischen Untertanen einzupflanzen gesucht hatte. Ich teile sie hier mit, weil sie den Neugierigen interessieren dürften und vielleicht einigen Aufschluß über die Jesuitenregierung in Paraguay geben.
Höre, o Mensch! die Gebote Gottes und des heiligen Michaels:
1. Gott ist der Endzweck aller Handlungen.
2. Gott ist die Quelle aller Tapferkeit und Stärke.
3. Die Tapferkeit ist eine Tugend sowohl des Leibes als der Seele.
4. Gott tut nichts umsonst.
5. Die Tapferkeit ist den Menschen gegeben, daß sie sich verteidigen.
6. Die Menschen müssen sich wider ihre Feinde verteidigen.
7. Die Feinde sind die weißen Menschen, die aus fernen Gegenden
kommen, Krieg zu führen, und sind von Gott verflucht.
8. Die Europäer, z.B. die Spanier und Portugiesen, sind solche von
Gott verfluchte Leute.
9. Gottes Feinde können nicht unsere Freunde sein.
10. Gott befiehlt, daß wir seine Feinde ausrotten und in ihre Länder
vorrücken, um sie auszurotten.
11. Damit ein von Gott Verfluchter, z.B. ein Spanier, ausgerottet
werde, muß man auch das zeitliche Leben verlieren, damit man das
ewige verdiene.
12. Wer mit einem Europäer redet oder ihre Sprache verstehet,
wird zu dem höllischen Feuer verdammet werden.
13. Wer einen Europäer umbringt, wird selig werden.
14. Wer einen Tag zubringt, ohne eine Handlung des Hasses und
der Verfluchung wider einen Europäer vorgenommen zu haben, wird
zum ewigen Feuer verdammet werden.
15. Gott erlaubt dem, der die zeitlichen Güter verachtet und immer
bereit ist, wider die Feinde des Teufels zu streiten, alles mit
einem Weibe anzufangen.
16. Wer in einem Treffen mit den Europäern umkömmt, wird
selig werden.
17. Wer wider die Feinde Gottes eine Kanone losbrennt, wird selig,
und ihm sind alle Sünden seines Lebens vergeben.
18. Wer mit großer Gefahr des Todes die Ursache sein wird, daß
man ein Schloß und eine Festung wieder erobert, die von den Weißen
unrechtmäßigerweise besessen wird, der soll in dem Paradiese
unter allen Weibern des Himmels eine sehr schöne Frau haben.
19. Wer Ursache sein wird, daß unser Reich über seine Grenzen
ausgebreitet wird, der wird unter allen Töchtern Gottes vier sehr
schöne Weiber haben.
20. Wer Ursache sein wird, daß sich unsre Waffen nach Europa
erstrecken, der wird im Paradiese viele schöne Mägdlein haben.
21. Wer den Früchten der Erde ergeben ist, der soll keine Früchte
des Himmels genießen.
22. Wer mehr Kinder zeugt, der wird mehr Ruhm im Himmel
haben.
23. Wer Wein trinkt, der wird nicht ins Himmelreich kommen.
24. Wer seinem Kau nicht gehorchet und nicht demütig ist, der
kömmt in die Hölle.
25. Die Kau sind Söhne Gottes, welche über Europa aus dem Himmel
kommen, daß sie den Völkern wider die Feinde Gottes helfen.
26. Die Kau sind Engel Gottes, welche zu den Völkern herabsteigen,
sie zu lehren, wie man in den Himmel komme, und die Kunst,
die Feinde Gottes auszurotten.
27. Den Kaus muß man alle Früchte des Landes geben und alle
Arbeiten der Menschen, damit sie dieselben anwenden, die Völker,
die des Teufels Freunde sind, auszurotten.
28. Wer in der Ungnade eines Kau stirbt, wird nicht selig.
29. Wer den höchsten Kau anrühret, wird selig.
30. Jedermann sei seinem Kau untertan und gehe hin, wohin er
ihn gehen heißt, und gebe ihm, was er verlangt, und tue, was er
befiehlt.
31. Die Menschen sind in der Welt, um mit dem Teufel und seinen
Freunden zu streiten, damit sie in das Himmelreich kommen,
wo ewige Freude und eine Wollust sein wird, die keines Menschen
Herz fassen kann.
Philipp der Zweite sahe sich nicht so bald durch den Frieden von Chateau-Cambresis im ruhigen Besitz seiner Reiche, als er sich ganz dem großen Werk der Glaubensreinigung hingab und die Furcht seiner niederländischen Untertanen wahr machte. Die Verordnungen, welche sein Vater gegen die Ketzer hatte ergehen lassen, wurden in ihrer ganzen Strenge erneuert, und schreckliche Gerichtshöfe, denen nichts als der Name der Inquisition fehlte, wachten über ihre Befolgung. Aber sein Werk schien ihm kaum zur Hälfte vollendet, so lange er die spanische Inquisition nicht in ihrer ganzen Form in diese Länder verpflanzen konnte - ein Entwurf, woran schon der Kaiser gescheitert hatte.
Eine Stiftung neuer Art und eigener Gattung ist diese spanische Inquisition, die im ganzen Laufe der Zeiten kein Vorbild findet und mit keinem geistlichen, keinem weltlichen Tribunal zu vergleichen steht. Inquisition hat es gegeben, seitdem die Vernunft sich an das Heilige wagte, seitdem es Zweifler und Neuerer gab; aber erst um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, nachdem einige Beispiele der Abtrünnigkeit die Hierarchie aufgeschreckt hatten, baute ihr Innocentius der Dritte einen eigenen Richterstuhl und trennte auf eine unnatürliche Weise die geistliche Aufsicht und Unterweisung von der strafenden Gewalt. Um desto sicherer zu sein, daß kein Menschengefühl und keine Bestechung der Natur die starre Strenge ihrer Statuten auflöse, entzog er sie den Bischöfen und der säkularischen Geistlichkeit, die durch die Bande des bürgerlichen Lebens noch zu sehr an der Menschheit hing, um sie Mönchen zu übertragen, einer Abart des menschlichen Namens, die die heiligen Triebe der Natur abgeschworen, dienstbaren Kreaturen des römischen Stuhls, Deutschland, Italien, Spanien, Portugal und Frankreich empfingen sie; ein Franziskanermönch saß bei dem fürchterlichen Urteil über die Tempelherrn zu Gerichte; einigen wenigen Staaten gelang es, sie auszuschließen oder der weltlichen Hoheit zu unterwerfen. Die Niederlande waren bis zur Regierung Karls des Fünften damit verschont geblieben; ihre Bischöfe übten die geistliche Zensur, und in außerordentlichen Fällen pflegte man sich an fremde Inquisitionsgerichte, die französischen Provinzen nach Paris, die deutschen nach Köln zu wenden.
Aber die Inquisition, welche jetzt gemeint ist, kam aus dem Westen von Europa, anders in ihrem Ursprung und anders an Gestalt. Der letzte maurische Thron war im funfzehnten Jahrhundert in Granada gefallen und der sarazenische Gottesdienst endlich dem überlegenen Glück der Christen gewichen. Aber neu und noch wenig befestigt war das Evangelium in diesem jüngsten christlichen Königreich, und in der trüben Mischung ungleichartiger Gesetze und Sitten hatten sich die Religionen noch nicht geschieden. Zwar hatte das Schwert der Verfolgung viele tausend Familien nach Afrika getrieben, aber ein weit größerer Teil, von dem geliebten Himmelsstriche der Heimat gehalten, kaufte sich mit dem Gaukelspiel verstellter Bekehrung von dieser schrecklichen Notwendigkeit los und fuhr an christlichen Altären fort, seinem Mahomed und Moses zu dienen. So lange es seine Gebete nach Mekka richtete, war Grenada nicht unterworfen; so lange der neue Christ im Innersten seines Hauses wieder zum Juden und Muselmann wurde, war er dem Thron nicht gewisser als dem römischen Stuhl. Jetzt war es nicht damit getan, dieses widerstrebende Volk in die äußerliche Form eines neuen Glaubens zu zwingen, oder es der siegenden Kirche durch die schwachen Bande der Zeremonie anzutrauen; es kam darauf an, die Wurzel einer alten Religion auszureuten und einen hartnäckigen Hang zu besiegen, der durch die langsam wirkende Kraft von Jahrhunderten in seine Sitten, seine Sprache, seine Gesetze gepflanzt worden und bei dem fortdauernden Einfluß des vaterländischen Bodens und Himmels in ewiger Übung blieb. Wollte die Kirche einen vollständigen Sieg über den feindlichen Gottesdienst feiern und ihre neue Eroberung vor jedem Rückfalle sicherstellen, so mußte sie den Grund selbst unterwühlen, auf welchen der alte Glaube gebaut war; sie mußte die ganze Form des sittlichen Charakters zerschlagen, an die er aufs innigste geheftet schien. In den verborgensten Tiefen der Seele mußte sie seine geheimen Wurzeln ablösen, alle seine Spuren im Kreise des häuslichen Lebens und in der Bürgerwelt auslöschen, jede Erinnerung an ihn absterben lassen und wo möglich selbst die Empfänglichkeit für seine Eindrücke töten. Vaterland und Familie, Gewissen und Ehre, die heiligen Gefühle der Gesellschaft und der Natur sind immer die ersten und nächsten, mit denen Religionen sich mischen, von denen sie Stärke empfangen und denen sie sie geben. Diese Verbindung mußte jetzt aufgelöst, von den heiligen Gefühlen der Natur mußte die alte Religion gewaltsam gerissen werden - und sollte es selbst die Heiligkeit dieser Empfindungen kosten. So wurde die Inquisition, die wir zum Unterschiede von den menschlicheren Gerichten, die ihren Namen führen, die spanische nennen. Sie hat den Kardinal Ximenes zum Stifter; ein Dominikanermönch, Torquemada, stieg zuerst auf ihren blutigen Thron, gründete ihre Statuten und verfluchte mit diesem Vermächtnis seinen Orden auf ewig. Schändung der Vernunft und Mord der Geister heißt ihr Gelübde; ihre Werkzeuge sind Schrecken und Schande. Jede Leidenschaft steht in ihrem Solde, ihre Schlinge liegt in jeder Freude des Lebens. Selbst die Einsamkeit ist nicht einsam für sie; die Furcht ihrer Allgegenwart hält selbst in den Tiefen der Seele die Freiheit gefesselt. Alle Instinkte der Menschheit hat sie herabgestürzt unter den Glauben; ihm weichen alle Bande, die der Mensch sonst am heiligsten achtet. Alle Ansprüche auf seine Gattung sind für einen Ketzer verscherzt; mit der leichtesten Untreue an der mütterlichen Kirche hat er sein Geschlecht ausgezogen. Ein bescheidner Zweifel an der Unfehlbarkeit des Papsts wird geahndet wie Vatermord und schändet wie Sodomie; ihre Urteile gleichen den schrecklichen Fermenten der Pest, die den gesundesten Körper in schnelle Verwesung treiben. Selbst das Leblose, das einem Ketzer angehörte, ist verflucht; ihre Opfer kann kein Schicksal ihr unterschlagen; an Leichen und Gemälden werden ihre Sentenzen vollstreckt, und das Grab selbst ist keine Zuflucht vor ihrem entsetzlichen Arme.
Die Vermessenheit ihrer Urteilssprüche kann nur von der Unmenschlichkeit übertroffen werden, womit sie dieselbe vollstrecket. Indem sie Lächerliches mit Fürchterlichem paart und durch die Seltsamkeit des Aufzugs die Augen belustigt, entkräftet sie den teilnehmenden Affekt durch den Kitzel eines andern; im Spott und in der Verachtung ertränkt sie die Sympathie. Mit feierlichem Pompe führt man den Verbrecher zur Richtstatt, eine rote Blutfahne weht voran, der Zusammenklang aller Glocken begleitet den Zug; zuerst kommen Priester im Meßgewande und singen ein heiliges Lied. Ihnen folgt der verurteilte Sünder, in ein gelbes Gewand gekleidet, worauf man schwarze Teufelsgestalten abgemalt sieht. Auf dem Kopfe trägt er eine Mütze von Papier, die sich in eine Menschenfigur endigt, um welche Feuerflammen schlagen und scheußliche Dämonen herumfliegen. Weggekehrt von dem ewig Verdammten wird das Bild des Gekreuzigten getragen; ihm gilt die Erlösung nicht mehr. Dem Feuer gehört sein sterblicher Leib, wie den Flammen der Hölle seine unsterbliche Seele. Ein Knebel sperrt seinen Mund und verwehrt ihm, seinen Schmerz in Klagen zu lindern, das Mitleid durch seine rührende Geschichte zu wecken und die Geheimnisse des heiligen Gerichts auszusagen. An ihn schließt sich die Geistlichkeit im festlichen Ornat, die Obrigkeit und der Adel; die Väter, die ihn gerichtet haben, beschließen den schauerlichen Zug. Man glaubt eine Leiche zu sehen, die zu Grabe geleitet wird, und es ist ein lebendiger Mensch, dessen Qualen jetzt das Volk so schauderhaft unterhalten sollen. Gewöhnlich werden diese Hinrichtungen auf hohe Feste gerichtet, wozu man eine bestimmte Anzahl solcher Unglücklichen in den Kerkern des heiligen Hauses zusammenspart, um durch die Menge der Opfer die Handlung zu verherrlichen; und alsdann sind selbst die Könige zugegen. Sie sitzen mit unbedecktem Haupt auf einem niedrigeren Stuhle als der Großinquisitor, dem sie an einem solchen Tage den Rang über sich geben - und wer wird nun vor einem Tribunal nicht erzittern, neben welchem die Majestät selbst versinkt?
Die große Glaubensrevolution durch Luther und Calvin brachte die Notwendigkeit wieder zurück, welche diesem Gericht seine erste Entstehung gegeben; und was anfänglich nur erfunden war, das kleine Königreich Grenada von den schwachen Überresten der Sarazenen und Juden zu reinigen, wurde jetzt das Bedürfnis der ganzen katholischen Christenheit. Alle Inquisitionen in Portugal, in Italien, Deutschland und Frankreich nahmen die Form der spanischen an; sie folgte den Europäern nach Indien und errichtete in Goa ein schreckliches Tribunal, dessen unmenschliche Prozeduren uns noch in der Beschreibung durchschauern. Wohin sie ihren Fuß setzte, folgte ihr die Verwüstung; aber so, wie in Spanien, hat sie in keiner andern Weltgegend gewütet. Die Toten vergißt man, die sie geopfert hat; die Geschlechter der Menschen erneuern sich wieder, und auch die Länder blühen wieder, die sie verheert und entvölkert hat; aber Jahrhunderte werden hingehen, eh' ihre Spuren aus dem spanischen Charakter verschwinden. Eine geistreiche treffliche Nation hat sie mitten auf dem Weg zur Vollendung gehalten, aus einem Himmelsstrich, worin es einheimisch war, das Genie verbannt und eine Stille, wie sie auf Gräbern ruht, in dem Geist eines Volks hinterlassen, das vor vielen andern, die diesen Weltteil bewohnen, zur Freude berufen war.
Den ersten Inquisitor setzte Karl der Fünfte im Jahr 1522 in Brabant ein. Einige Priester waren ihm als Gehilfen an die Seite gegeben; aber er selbst war ein Weltlicher. Nach dem Tode Adrians des Sechsten bestellte sein Nachfolger, Clemens der Siebente, drei Inquisitoren für alle niederländische Provinzen, und Paul der Dritte setzte diese Zahl wiederum bis auf zwei herunter, welche sich bis auf den Anfang der Unruhen erhielten. Im Jahr 1530 wurden mit Zuziehung und Genehmigung der Stände die Edikte gegen die Ketzer ausgeschrieben, welche allen folgenden zum Grunde liegen und worin auch der Inquisition ausdrücklich Meldung geschieht. Im Jahr 1550 sahe sich Karl der Fünfte durch das schnelle Wachstum der Sekten gezwungen, diese Edikte zu erneuern und zu schärfen, und bei dieser Gelegenheit war es, wo sich die Stadt Antwerpen der Inquisition widersetzte und ihr auch glücklich entging. Aber der Geist dieser niederländischen Inquisition war nach dem Genius des Landes menschlicher als in den spanischen Reichen, und noch hatte sie kein Ausländer, noch weniger ein Dominikaner verwaltet. Zur Richtschnur dienten ihr die Edikte, welche jedermann kannte; und eben darum fand man sie weniger anstößig, weil sie, so streng sie auch richtete, doch der Willkür weniger unterworfen schien und sich ncht, wie die spanische Inquisition, in Geheimnis hüllte.
Aber eben dieser letztern wollte Philipp einen Weg in die Niederlande bahnen, weil sie ihm das geschickteste Werkzeug zu sein schien, den Geist dieses Volks zu verderben und für eine despotische Regierung zuzubereiten. Er fing damit an, die Glaubensverordnungen seines Vaters zu schärfen, die Gewalt der Inquisitoren je mehr und mehr auszudehnen, ihr Verfahren willkürlicher und von der bürgerlichen Gerichtsbarkeit unabhängiger zu machen. Bald fehlte dem Tribunale zu der spanischen Inquisition wenig mehr als der Name und Dominikaner. Bloßer Verdacht war genug, einen Bürger aus dem Schoß der öffentlichen Ruhe, aus dem Kreis seiner Familie herauszustehlen, und das schwächste Zeugnis berechtigte zur Folterung. Wer in diesen Schlund hinabfiel, kam nicht wieder. Alle Wohltaten der Gesetze hörten ihm auf. Ihn meinte die mütterliche Sorge der Gerechtigkeit nicht mehr. Jenseits der Welt richteten ihn Bosheit und Wahnsinn nach Gesetzen, die für Menschen nicht gelten. Nie erfuhr der Delinquent seinen Kläger und sehr selten sein Verbrechen; ein ruchloser teufelischer Kunstgriff, der den Unglücklichen zwang, auf seine Verschuldung zu raten und im Wahnwitz der Folterpein, oder im Überdruß einer langen lebendigen Beerdigung Vergehungen auszusagen, die vielleicht nie begangen, oder dem Richter doch nie bekannt worden waren. Die Güter der Verurteilten wurden eingezogen und die Angeber durch Gnadenbriefe und Belohnungen ermuntert. Kein Privilegium, keine bürgerliche Gerechtigkeit galt gegen die heilige Gewalt. Wen sie berührte, den hatte der weltliche Arm verloren. Diesem war kein weiterer Anteil an ihrer Gerichtspflege verstattet, als mit ehrerbietiger Unterwerfung ihre Sentenzen zu vollstrecken. Die Folgen dieses Instituts mußten unnatürlich und schrecklich sein. Das ganze zeitliche Glück, selbst das Leben des unbescholtenen Mannes war nunmehr in die Hände eines jeden Nichtswürdigen gegeben. Jeder verborgene Feind, jeder Neider hatte jetzt die gefährliche Lockung einer unsichtbaren und unfehlbaren Rache. Die Sicherheit des Eigentums, die Wahrheit des Umgangs war dahin. Alle Bande des Gewinns waren aufgelöst, alle des Bluts und der Liebe. Ein ansteckendes Mißtrauen vergiftete das gesellige Leben; die gefürchtete Gegenwart eines Lauschers erschreckte den Blick im Auge und den Klang in der Kehle. Man glaubte an keinen redlichen Mann mehr und galt auch für keinen. Guter Name, Landsmannsschaften, Verbrüderungen, Eide selbst und alles, was Menschen für heilig achten, war in seinem Werte gefallen. - Diesem Schicksale unterwarf man eine große blühende Handelsstadt, wo hunderttausend geschäftige Menschen durch das einzige Band des Vertrauens zusammenhalten. Jeder unentbehrlich für jeden, und jeder zweideutig verdächtig. Alle durch den Geist der Gewinnsucht an einander gezogen, und aus einander geworden durch Furcht. Alle Grundsäulen der Geselligkeit umgerissen, wo Geselligkeit der Grund alles Lebens und aller Dauer ist.